Bezahlte Arztbesuche während der Arbeitszeit?
Dürfen Arbeitnehmende einfach Arzttermine ankündigen und ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass sie dafür während der Arbeitszeit bezahlt freigestellt werden? Oder müssen sie Arzttermine grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen?
Eine pauschale Pflicht zur bezahlten Freistellung bei Arztbesuchen gibt es nicht. Nach der gesetzlichen Grundregel des § 616 BGB muss ein Arbeitgeber das Gehalt weiterzahlen, wenn der Arbeitnehmende „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert“ ist. Das hört sich klar an. Aber tatsächlich rechtfertigt nicht jeder Arztbesuch eine bezahlte Freistellung. Vielmehr besteht dieser Anspruch nur, wenn der Arztbesuch während der Arbeitszeit medizinisch notwendig und nicht auf einen anderen Zeitpunkt verschiebbar war. Der Arbeitgeber muss regelmäßig nicht die Arbeitszeit für Routinetermine wie etwa Vorsorgeuntersuchungen oder Kontrollbesuche vergüten, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit hätten wahrgenommen werden können.
Für die Freistellung ist ein Nachweis erforderlich, aus dem hervorgeht, dass der Termin nur während der Arbeitszeit möglich war (ohne Angabe der Diagnose). Damit kann der Nachweis geführt werden, dass es sich um einen unvermeidbarer Arzttermin gehandelt hat.
Die Rechtsprechung ist hierzu sehr deutlich. Das LAG Niedersachsen hat etwa am 08.02.2018 – 7 Sa 256/17 entschieden, dass Arztbesuche nur dann freistellungsfähig sind, wenn der Arbeitnehmende zuvor alles Zumutbare unternommen hat, um den Termin außerhalb der Arbeitszeit zu legen. Allerdings sehen viele Tarifverträge eine Freistellung für Arzttermine vor, wenn die Behandlung während der Arbeitszeit notwendig sind. Das heißt aber nicht, dass der Arzt den Termin einfach während der Arbeitszeit vergeben hat, sondern dass der Besuch nicht zumutbar auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden konnte.
Aber auch der Arbeitsvertrag kann die Verpflichtung des Arbeitgebers beschränken. Sie kann dort begrenzt oder sogar vollständig ausgeschlossen werden. In diesem Fall ist der Arbeitnehmende dann zwar für einen zwingenden Besuch in der Arztpraxis freizustellen, jedoch muss der Arbeitgeber die dafür aufgewendet Zeit nicht vergüten.