Mitbestimmung bei Desk-Sharing und Clean-Desk-Policy

Mobiles Arbeiten ist auch nach Corona (noch) weit verbreitet. Nicht wenige Unternehmen haben Sparpotentiale erkannt, Büroflächen werden abgebaut und dafür das Desk Sharing eingeführt. Im betrieblichen Fokus steht bei solchen Änderungen die Frage der Beteiligung des Betriebsrates. So auch in dem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg entschiedenen Fall vom 06.08.2024 (12 TaBV 7/24). 

Was war geschehen?

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Einführung und Umsetzung eines Planungskonzepts. Hiernach sollen die Nutzungsflächen der Büroräume umgestaltet und umdefiniert werden. Vorgesehen ist insbesondere ein „Desk Sharing“ und damit verbunden ein „Clean Desk“. Bisher gab es feste Arbeitsplatzzuordnungen. Mit dem neuen Konzept sind u.a. Regelungen darüber verbunden, welche privaten Gegenstände mitgebracht werden dürfen und wie diese vor Beginn der Arbeitszeit und nach dem Ende der Arbeitszeit dann, wenn der Arbeitnehmer sie nicht mit nach Hause nimmt, im Betrieb aufzubewahren sind. Die Bürofläche wird in Nutzungsbereiche aufgeteilt, überlagernde Nutzungen sind denkbar, auch unter Einbeziehung des Pausenraumes. Ein Buchungstool war nicht vorgesehen. Der Betriebsrat will über das „Ob“ und „Wie“ der Einführung mitbestimmen. Er stützt sich dabei auf § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 111 BetrVG. Nach dem Scheitern der Verhandlungen verlangt der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle. Der Arbeitgeber verneint ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats und hält deshalb die Einigungsstelle für offensichtlich unzuständig.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Einführung von Desk Sharing und einer Clean Desk Policy ist nach Ansicht des LAG nicht als ganzes mitbestimmungspflichtig. 

Gleichwohl sah das Gericht die Einigungsstelle zumindest für einen Teilbereich als zuständig an. Denn Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmer, insbesondere zur Aufbewahrung solcher Gegenstände vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende und hinsichtlich des Verhaltens auf Flächen mit sogenannten überlagernden Nutzungen könnten die Ordnung des Betriebs betreffen und infolgedessen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Dies gelte auch, wenn solche Vorgaben Teil eines vom Arbeitgeber angeordneten Konzepts zum Desk Sharing und/oder einer von ihm vorgegebenen Clean Desk Policy sind. Für beide genannten Teilbereiche des Konzepts ist nach Ansicht des Gerichts nicht sofort erkennbar ausgeschlossen, dass sie sich nach ihrem objektiven Inhalt überwiegend auf das Ordnungsverhalten auswirken sollen. 

Die Pflicht zum Wegräumen privater Gegenstände vom Arbeitsplatz steuere das Verhalten der Arbeitnehmer und betreffe damit das Ordnungsverhalten. Mit der Regelung zur überlagernden Nutzung sei nicht ausgeschlossen, dass die Ordnung des Betriebs insoweit gesteuert werde, als beispielsweise ein an sich primär zu Pausenzwecken bereitgestellter Raum (Küche und Essbereich) auch zu Arbeitszwecken vorgesehen ist. Arbeitnehmer, die diesen Pausenraum zu Erholungszwecken aufsuchen, könnten gezwungen sein, sich in ihrem Pausenverhalten an diese weitere Nutzungen irgendwie anzupassen. Auch hier sei es nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass der Schwerpunkt der Flächenwidmung in der Steuerung des Arbeitsverhaltens läge.

Von daher sah das LAG die Einigungsstelle als zuständig für die Klärung dieser beiden Punkte an.

Was heißt das für die betriebliche Praxis?

Bisher liegen zu diesem Thema nur wenige gerichtliche Entscheidungen vor. Der Beschluss des LAG Baden-Württemberg bestätigt die bisherige Tendenz der Rechtsprechung, die Einführung des Desk Sharing und einer Clean-Desk-Policy grundsätzlich dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zuzuordnen. 

Lediglich wenn, wie in dem vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall auch konkrete Vorgaben gemacht werden, die das Zusammenleben und Zusammenwirken der Mitarbeitenden erfasst, soll ein mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorliegen (so auch Erfurter Kommentar/Kania, § 87, Rn. 21a). 

Will der Arbeitgeber zur Vermeidung von Doppelbelegungen ein elektronisches Buchungstool verwenden, findet ferner § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG Anwendung. Eine technische Überwachungseinrichtung kann aber auch ohne Buchungstool dann vorliegen, wenn die Dauer der Nutzung des einzelnen (geteilten) Arbeitsplatzes per EDV erfasst wird. Um in den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu gelangen, müssen zumindest konkrete Gesundheitsgefährdungen möglich erscheinen und benannt werden. 

Außerdem kann auch eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 4 bzw. Nr. 5 BetrVG vorliegen. Ob die Änderung „grundlegend“ ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Die Bewertung richtet sich nach den Verhältnissen im einzelnen Betrieb oder in der betroffenen Betriebsabteilung (DKW/Däubler, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, § 111, Rn. 113).

Schließlich sollten Betriebsräte prüfen, ob mit der Umgestaltung eine Änderung der Aufgabenbereich der betroffenen Mitarbeitenden einhergeht, In diesem Fall wäre von einer zustimmungspflichtigen Versetzung auszugehen (Fitting, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, § 99, Rn. 139e).

Nicht streitentscheidend aber bedeutend für die Praxis ist, dass der Arbeitgeber in jedem Fall das Gremium vor der Umsetzung über die Planung von Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen informieren und die vorgesehenen Maßnahmen mit dem Betriebsrat zu beraten muss (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 90 Abs. 2 BetrVG). 

Die Unterrichtung muss bereits dann erfolgen, wenn der Arbeitgeber beginnt, Ziele festzulegen, ohne das bereits schon eine konkrete Planung besteht. Die Information muss so frühzeitig wie möglich gegeben werden. Dem Betriebsrat soll es schließlich möglich sein, noch auf die Planungen einwirken zu können (DKW-Wankel, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, § 90, Rn. 20). Verletzt der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus § 90 BetrVG, kann der Betriebsrat das Informations- und Beratungsrecht gerichtlich geltend machen, jedoch nach dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung nicht die Durchführung der Änderungen untersagen lassen (zuletzt LAG Sachsen vom 10.01.2023 – 2 TaBV 1/21).