Künstliche Intelligenz und die Hinzuziehung von Sachverständigen
§ 80 Abs. 3 BetrVG: Die Rechtsgrundlage für die Hinzuziehung von Sachverständigen
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung von KI-Systemen ist in vielen Fällen (insbesondere) nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gegeben. Aber wer kennt sich im Gremium schon mit KI und Datenschutz aus? Häufig niemand so richtig. Das ist misslich, benötigt der Betriebsrat doch dieses spezielle Fachwissen, um seine Mitbestimmungsrechte effektiv wahrnehmen zu können. Das kann er sich trotz hoher Motivation und Anstrengung nicht immer selbst erarbeiten.
Da hilft § 80 Abs. 3 BetrVG! Die Norm ist die Rechtsgrundlage für das Recht des Betriebsrats, bei der Erfüllung seiner Aufgaben einen Sachverständigen hinzuzuziehen.
Die Bedeutung dieser Vorschrift für die Betriebsratsarbeit wird unterschätzt. Denn im Ergebnis ist dieses Recht ein zentrales Mittel zur Informationsbeschaffung für das Gremium. Sie räumt dem Betriebsrat das Recht ein, sich bei komplexen Sachverhalten fachkundigen Rat einzuholen. Dazu gehört ohne Weiteres die Beurteilung von Systemen der KI. Fehlt es an Kenntnissen dazu im Gremium, kann es sich das nötige Wissen über die Hinzuziehung von technischen und/oder rechtlichen Sachverständigen aneignen.
Die Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen.
Allerdings muss die Hinzuziehung “erforderlich” sein. Das war bisher immer mal wieder ein Hemmschuh. Arbeitgeber verweisen in diesem Zusammenhang gern darauf, dass der Betriebsrat erst einmal die Expert*innen im Betrieb befragen solle. Jedoch haben wir im Bereich KI eine ganz wichtige Neuerung. Denn mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber in dem neuen § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG klargestellt:
„Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich.“
Damit entfällt die sonst zwingende Verpflichtung des Betriebsrates zu prüfen, ob er die Informationen vorrangig von innerbetrieblichen Auskunftspersonen erhalten kann. Er muss sich mit dem Arbeitgeber nur noch über die Person und die Kosten verständigen.
Aufgaben von Sachverständigen bei der Einführung von KI im Betrieb
Der vormalige Bundesarbeitsminister war der Ansicht, dass es binnen 10 Jahren keinen Arbeitsplatz mehr gibt, der nichts mit KI zu tun hat. Mit dieser Prognose wird er wohl richtig liegen. Was heißt das für dich und deinen Betrieb?
Der Einsatz von KI wird erhebliche Auswirkungen auf die konkrete Ausgestaltung von Arbeitsinhalten, Arbeitsplätzen und Arbeitsverfahren haben. Diese Änderungen gilt es zu bewerten und zu bewältigen. Gleiches gilt für die Risikobewertung und den Datenschutz.
Schon jetzt gibt es Beispiele aus der Praxis:
- KI-basiertes Recruiting
Fokus: Auswirkungen des Systems auf Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit, Datenschutz
- KI-basierte Leistungsüberwachung
Fokus: Bewertung der Erforderlichkeit, Risiken für die psychische Gesundheit, Präventionsmaßnahmen, Kontrollmechanismen
- KI-basierte Produktionsplanung
Fokus: Auswirkungen des Systems auf die Arbeitsplätze, die Arbeitsbedingungen und die Qualifikationsanforderungen
- KI-basierte Kundenkommunikation
Fokus: Änderung der Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz, Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs der betroffenen Beschäftigten.
- Planung einer Betriebsvereinbarung zum Einsatz von KI
Fokus: Prüfung von Entwürfen, Aufbereitung für das Gremium, Entwicklung eines eigenen Vorschlags.
Der Einsatz von KI nimmt dramatisch zu. Nach einer neuen Untersuchung des Ifo-Institutes hat sich in den vergangenen beiden Jahren der Anteil der Unternehmen, die KI produktiv einsetzen, von 13,3 Prozent auf aktuell 40,9 Prozent mehr als verdreifacht (FAZ vom 18. Juni 2025). Es muss davon ausgegangen werden, dass vielfach in Betrieben schon KI-Systeme eingesetzt werdeb, ohne dass der Betriebsrat zuvor nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterrichtet oder nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beteiligt wurde.
Der Betriebsrat kann in jedem Fall Auskunft von dem Arbeitgeber verlangen, ob bereits KI-Systeme eingesetzt werden und falls ja, welche. Auch bei der Bewertung der Frage, ob die Software als KI gilt oder nicht, kann sich der Betriebsrat von Sachverständigen unterstützen lassen.
Alles in allem spielen Sachverständige eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI-Systemen verbunden sind. Sie unterstützen das Gremium bei der Informationsbeschaffung, der Bewertung der Auswirkungen von KI auf die Beschäftigten, bei der Entwicklung von Qualifizierungsmaßnahmen und bei Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu dem Thema.
Damit kommt der Betriebsrat auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber.