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Videokonferenzen im Arbeitsleben: Rechtliche Rahmenbedingungen für Aufzeichnung und Transkription

In vielen Unternehmen sind moderne digitale Kommunikationssysteme wie Microsoft Teams, Zoom oder Cisco Webex nicht mehr aus dem Arbeitsalltag hinwegzudenken. Sie erleichtern die Zusammenarbeit erheblich, führen aber zwangsläufig auch zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Teilnehmenden. Das betrifft nicht nur Bild- und Tondaten, sondern auch Inhalte der Gespräche, Metadaten über Dauer und Zeitpunkt der Teilnahme sowie ggf. sensible Informationen aus dem persönlichen Umfeld.

Im Folgenden werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für zwei besonders relevante Funktionen dargestellt:

  • die Aufzeichnung von Videokonferenzen
  • die automatische Transkription durch KI-gestützte Systeme (z. B. Read.ai, Fireflies.ai, Microsoft Copilot).

Die Bewertung erfolgt in drei Perspektiven: Datenschutzrecht, Individualarbeitsrecht und kollektivrechtliche Mitbestimmung.

1. Datenschutzrechtliche Bewertung

 Aufzeichnung von Videokonferenzen

Die Aufzeichnung stellt einen besonders tiefen Eingriff dar, weil gesprochene Worte und Bilder dauerhaft gespeichert werden.

  • Erforderlichkeit (§ 26 Abs. 1 BDSG, Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO): Eine Aufzeichnung ist nur im Ausnahmefall erforderlich, etwa bei Schulungen oder Dokumentation von internen Ermittlungen.
  • Berechtigte Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO): Ansonsten kann auch ein besonderes Arbeitgeberinteresse eine Aufzeichnung rechtfertigen. Hier ist jedoch eine sorgfältige Interessenabwägung erforderlich.
  • Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO): Wenn keine andere Grundlage greift, ist die Einwilligung erforderlich – sie ist aber im Arbeitsverhältnis wegen des Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich unsicher.

Transkription durch KI-Systeme

Auch die automatische Transkription ist datenschutzrechtlich wie eine Aufzeichnung zu behandeln, da gesprochene Inhalte erfasst, gespeichert und den Teilnehmern zugeordnet werden können.

  • Auch hier gilt: Erforderlichkeit oder Einwilligung sind Voraussetzung.
  • Bei Nutzung externer Anbieter (oft mit Servern in den USA) sind Drittstaatentransfers zu beachten. Es müssen Standardvertragsklauseln abgeschlossen und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen getroffen werden.
  • Sensible Daten (z. B. Gesundheitsdaten) unterliegen einem noch strengeren Schutz (Art. 9 DSGVO).

Gemeinsam für beide Varianten gilt: Die Daten dürfen nur so lange gespeichert werden, wie es für den festgelegten Zweck erforderlich ist (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). Arbeitgeber müssen klare Löschfristen und Zugriffsbeschränkungen festlegen.

2. Individualarbeitsrechtliche Bewertung

 Aufzeichnung

Eine Videoaufzeichnung dokumentiert das Verhalten von Beschäftigten umfassend. Damit entsteht schnell der Eindruck einer Verhaltens- oder Leistungskontrolle. Ohne konkrete sachliche Notwendigkeit ist dies unzulässig. Arbeitnehmende können sich im Zweifel gegen die Aufzeichnung wehren.

Transkription

Die Transkription kann noch stärker den Charakter einer dauerhaften Überwachung haben, da jedes gesprochene Wort nachvollziehbar gespeichert wird. Auch hier gilt:

  • Ohne klare Rechtsgrundlage ist die Nutzung rechtswidrig.
  • Eine Einwilligung ist denkbar, ist aber auch hier unsicher.

 Praxisproblem: Gerade bei KI-Systemen besteht die Gefahr, dass die Transkripte später zu Zwecken genutzt werden, die über die reine Dokumentation hinausgehen (z. B. Analyse von Sprechanteilen). Das wäre unzulässig.

3. Kollektivarbeitsrechtliche Bewertung

 Aufzeichnung

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn technische Einrichtungen eingesetzt werden, die Verhalten oder Leistung der Beschäftigten überwachen können. Videoaufzeichnungen fallen hierunter.

Transkription

Für Transkriptionssysteme gilt dasselbe: Sie sind ebenfalls geeignet, Verhalten oder Leistung zu überwachen. Auch hier ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen.

Gestaltung in der Praxis: Der Einsatz sollte in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Wichtige Inhalte sind:

  • Klarstellung, dass keine Leistungs- und Verhaltenskontrolle erfolgt
  • Festlegung von Zwecken (z. B. Dokumentation von Besprechungen)
  • Löschfristen und Speicherorte
  • Zugriffsbeschränkungen und Transparenzpflichten gegenüber den Beschäftigten

Ohne Betriebsratszustimmung ist der Einsatz solcher Systeme unzulässig.

4. Straf- und arbeitsrechtliche Konsequenzen

Unabhängig von Datenschutz und Mitbestimmung ist zu beachten:

  • Das heimliche Mitschneiden von Gesprächen ist nach § 201 StGB strafbar.
  • Arbeitnehmer, die unerlaubt Aufnahmen anfertigen oder verbreiten, müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen.